Ein Streifzug durch die Bündner Geschichte
Orlando Fetz erläuterte anhand von alten Bildern den Zusammenfluss von Vorder- und Hinterrhein inmitten der Bergwelt von Graubünden.
37 Interessierte erlebten am 25.05.2024 spannende und historische Einblicke auf der Senda Sursilvana, beginnend im Schloss Reichenau bis zum bedeutenden Kirchenjuwel St. Remigius, begleitet vom versierten und humorvollen Reiseleiter Orlando Fetz.
Kaffeepause im Golfclub
Schon recht früh, um sieben Uhr, ging es mit dem Bus ab Feldkirch in Richtung Chur los. Wer mit dem Bündner Original Orlando Fetz unterwegs ist, weiß, dass die kulinarische Seite nicht zu kurz kommt. So gab es im Clubhaus des Golfressort Donat/Ems eine feine Kaffeepause. Orlando erläuterte anhand von alten Bildern den Zusammenfluss von Vorder- und Hinterrhein inmitten der Bergwelt von Graubünden. Schon im 14. Jahrhundert, als der Fernverkehr über die Bündner Alpenpässe zunahm, wurden zwei Brücken und das Zollhaus gebaut.
Schloss Reichenau
Bald ging es weiter nach Tamins/Reichenau, welches am Zusammenfluss von Hinter- und Vorderrhein, sozusagen am Geburtsort des Alpenrheins liegt. Im Schloss Reichenau mit der wunderschönen Parkanlage, der Kapelle und den historischen Räumlichkeiten erwartete uns schon der urige Schlossherr Gian-Battista von Tscharner, Familienoberhaupt, Hofnarr und Winzer. Mit viel Empathie brachte er uns die Geschichte näher, die mit Unterbruch bereits in 7. Generation mit dem Schloss Reichenau verbunden ist.
Der urige Schlossherr Gian-Battista von Tscharner, Familienoberhaupt, Hofnarr und Winzer machte die spannende Führung.
Überall gibt es Blumen.
Zahlreiche Besitzer
Reichenau gehörte zur Herrschaft Hohentrins mit Sitz in Trins. Rege wechselten sich die Besitzer ab. Böse Zungen erzählen sich, dass sie oft der Vielweiberei oder dem Suffe zum Opfer fielen, verarmten und dann die Herrschaft an den nächsten Interessenten verkauften. Johann Anton Buol von Schauenstein verkaufte die Herrschaft 1792 an das Konsortium Vieli - Bavier - von Tscharner. Johann-Baptista von Tscharner eröffnete in Reichenau eine Schule, ein Internat für die Zöglinge Bündens. Nicht elitär sollte sie sein; sein großes Ziel war, dass möglichst verschiedene Schüler sich in Reichenau bilden konnten. Im Oktober 1793 wurde der spätere König Frankreichs, Louis Philippe, Duc d’Orléans, unter dem „Flüchtlingsnamen“ Chabosals Lehrer für Geometrie und Geographie aufgenommen.
Durch die schöne Parkanlage ging's zur Schlosskapelle.
Wir erfuhren vom Schlossherrn, wie schwierig und kostenintensiv es ist, das Schloss zu erhalten. Der Verein «Freunde Schloss Reichenau» hilft finanziell mit, um den geschichtsträchtigen Ort und die historisch wertvolle Bausubstanz sowie die Familientraditionen zu bewahren.
Mehr Details über die Geschichte und das Schloss entnehmen sie bitte mit Klick auf den PDF-Anhang.
Die tw. renovierte Kapelle. Der jetzt pensionierte Bischof Haas wollter dem Schlossherrn die liturgische Benutzung der Kapelle verbieten !!
Schlosskapelle - Altar
Mittagspause in der Stiftung Scalottas
In der Stiftung Scalottas durften dann die Teilnehmer ein feines Mittagessen - entweder Stroganoff mit Reis oder die vegetarische Bündner Spezialität Pizzocherie della Valtellina - mit anschließendem reichhaltigem Dessert-Buffet genießen. Orlando hatte noch eine Überraschung parat und zeigte bei der Weiterfahrt mit einem Stopp in Cazis die wohl ungewöhnlichste Kirche Graubündens.
Es ist wohl der eigenwilligste Kirchenbau der Schweiz. Die Steinkirche mit ihren drei an gletschergeformte Felsen erinnernden Elementen lässt den Betrachter aufmerken - und über Themen wie Geborgenheit, Raum und Wärme nachdenken.
Die evangelische Kirchgemeinde in Cazis wurde erst im Jahr 1968 gegründet. Anlässlich der Gründung wurde ein Pfarrhaus mit einem kleinen integrierten Kirchgemeindesaal gebaut. 1994 wurden erste Studienaufträge für einen Kirchenneubau in Auftrag gegeben. Gemäß Raumprogramm sollte die Kirche etwa 240 Personen Platz bieten und in drei einzelne Räume unterteilt werden können. Im März 1995 wurde aus den sieben eingereichten Arbeiten das Projekt des Architekten Werner Schmidt aus dem bündnerischen Trun als Gewinner ausgewählt und in den Jahren 1996-1998 mit aufwendigem Holzschalungen und Spritzbeton realisiert. Im Inneren des sehr hellen Kirchenraumes gibt es bewusst kein Vorne und kein Hinten, jeder Punkt des Innenraums kann sowohl vorne als auch hinten im Gebäude sein. Jeder Besucher soll sich selbst seinen persönlichen Standpunkt verschaffen und dadurch zu einem eigenen Blickwinkel auf Gott und die Mitmenschen kommen. Die Anlage der Fenster sollen das Thema das Blickwinkels noch verstärken: Das östliche Fenster ist gegen den Himmel gerichtet, das mittlere zum Horizont und das westliche zur Straße und damit zu den Menschen. Der Blick aus den Fenstern zieht dadurch gleichsam eine Linie vom Himmel zu den Menschen.
Kirche St. Remigius
Danach ging es entlang der geschichtsträchtigen Straße „Senda Sursilvana“ zu einem kleinen Juwel in der Bündner Bergwelt, der Kirche St. Remigius in Falera weiter. Die Kirche gilt als eine der schönsten und interessantesten kulturhistorischen Bauten im Vorderrheintal.
Eine prächtige Allee aus Linden- und Ahornbäumen führte uns vom Dorf her zur Kirche hinauf, auf eine prachtvolle Aussichtsterrasse mit einer einmaligen Aussicht über das mittlere Vorderrheintal.
Kultstätte
Die Kirche liegt abseits des Dorfes am Fuße eines bewaldeten Hügels, der Mutta, in der Nähe einer bedeutenden Kult- und Astronomie Stätte aus vorrömischer Zeit. Eine prächtige Allee aus Linden- und Ahornbäumen führte uns vom Dorf her zur Kirche hinauf, auf eine prachtvolle Aussichtsterrasse mit einer einmaligen Aussicht über das mittlere Vorderrheintal. Der Bau ist von einer schiffsförmigen Friedhofsmauer umgeben. Kirche und Mauer sind somit ein Symbol für die Arche Noahs und sollen die Menschen daran erinnern, nach einem sicheren Ufer Ausschau zu halten.
Eindrucksvolle Wandmalerei
Urkundlich wird ein Gotteshaus zum ersten Mal im Jahre 1045 in einer Schenkungsurkunde Kaiser Heinrichs III. genannt. Der heutige Bau wurde am 7. Dezember 1491 konsekriert. Der romanische, gemauerte und unverputzte Kirchturm mit seinen 1,80 m dicken Mauern stammt aus dem 13. Jahrhundert. Er ist mit einem Zeltdach aus Steinplatten gedeckt, der spätgotische Chor mit seinen drei Altären aus dem Jahr 1491. Das ausdrucksvolle Abendmahlbild nimmt die ganze Länge der Nordseite ein. Es wurde 1646 von Georg Wilhelm Gresner aus Konstanz gemalt, ist aber bereits im September 1766 weiß übermalt worden. 1936 wurde Pater Notker Curt aus dem Kloster Disentis auf das verborgene Bild aufmerksam und die weiße Deckschicht wurde ihm und seinem Mitbruder Iso Müller entfernt. Bei der Restaurierung wurden die Gesichter und zum Teil Hände und Kleider von drei Aposteln mit einer synthetischen Farbe übermalt, die bald oxidierte und stark nachdunkelte. Die Darstellung des Jüngsten Gerichts mit einer rätoromanischen Inschrift an der Südwand entstand um 1800, der Maler ist nicht bekannt
Nach soviel Geschichte und Kultur führte uns Reisleiter Orlando Fetz in eine Pizzeria in Bonaduz. Nach der Stärkung ging es dann nach Feldkirch, wo die große Reisegruppe wohl behalten um 18:30 Uhr ankam. Noch ein Dank an den Reisebegleiter Dieter Petras, welcher sich fürsorglich um die Kulturbegeisterten kümmerte.
(Text und Fotos Helmut Köck, Mai 2024).