Als der Zweite Weltkrieg nach Vorarlberg kam
Der Historiker Dr. Wolfgang Weber gab konkret Antwort auf die Frage, wie eine zeitgemäße Erinnerung an die Toten dieses Angriffs in der Vorarlberger Öffentlichkeit möglich werden kann. „Das Trauma des Krieges betrifft das ganze Land. Es ist Aufgabe der Politik, zu erinnern“.
Der alliierte Bombenangriff auf Feldkirch am 01. Oktober 1943
Großes Interesse mit über 80 Teilnehmern am Vortrag von Wolfgang Weber zum 80-jährigen Jubiläum des US-Bombenangriffs auf Feldkirch-Tisis an der Pädagogischen Hochschule in Feldkirch. Johannes Spies von erinnern.at leitete mit treffenden Worten auf den Vortrag ein.
200 Tote in Feldkirch
Vor 80 Jahren, am 1. Oktober 1943, warfen US-amerikanische Bomber innert zwei Minuten 18.000 Kilo schwere Bomben über Tisis und Tosters ab. Dieser Angriff forderte über 200 Tote und zumindest 100 Verletzte. Bis zu 150 Gebäude waren betroffen. Wenige Tage später begann eine Erinnerungspolitik um den Bombenabwurf, die im Dienst des NS-Regimes stand.
Der Referent Dr. Wolfgang Weber gab spannende Einblicke in sehr regionale Geschehnisse, etwa über den SA-Bürgermeister Erwin Hefel aus Feldkirch, der den SA-Fahrradsturm im Bezirk aufbaute. „Selbst der Friseur in der Innenstadt hat Zwangsarbeiter gehabt“ so der Historiker über die nicht vollständige Aktenüberlieferung zum schwierigen Thema, über die bis heute nicht so gerne gesprochen wird. 12.017 Zwangsarbeiter sind für Vorarlberg belegt. In der Montfortstadt Feldkirch allein waren 205 Menschen aus Osteuropa – vorwiegend Polen, Ungarn, Ukrainer und Rumänen – im Einsatz. „Der jüngste Zwangsarbeiter war 14 Jahre alt. In den Lazaretten waren 17 Menschen zwangsverpflichtet, sieben in der Lehrerbildungsanstalt“ gab Weber weitere Einblicke.
Verschiedene Meinungen
Darüber, wann genau der Zweite Weltkrieg nach Vorarlberg kam, waren sich Vortragender und einige Gäste nicht einig: Bereits am 1. September 1939 kam er laut Dr. Weber ins Ländle. Ein Zeitzeuge meinte jedoch bei der anschließenden Diskussion, dass dies bereits direkt nach dem Ersten Weltkrieg und dem Vertrag von Versailles geschehen sei.
Tatenloses Gedenken
142 komplett zerstörte Häuser, 41 Schülerinnen zwischen 14 und 19 Jahren und insgesamt 200 Tote waren die traurige Bilanz des 1. Oktober 1943. „An dies erinnert heute nichts“ so Weber, der sich ein Denkmal wünscht und konkrete Vorschläge nannte: Der Carinastollen in Tisis, der sich heute in Privatbesitz befindet und bis dato von den Verantwortlichen der Stadt Feldkirch nicht übernommen worden und in eine öffentliche Gedenkstätte umgewandelt wurde. Das Besitzerehepaar Reichart war auch vor Ort und würde so eine Übernahme begrüßen. „Da es auch keine Denkmäler für Grippetote gibt, das wäre ein absolutes Neuland, denn in Feldkirch gab es 400 Grippetote“ regte Weber zum Weiterdenken in diese Richtung an.
Nazi-Begriffe in Verwendung
Nach dem einstündigen Vortrag fand noch eine ebenso lange Diskussion statt. „Der Begriff ‚Terrorangriff‘ stößt mir sauer auf, das war die Diktion des Dritten Reiches“ sagte etwa Herr Hefel über das Verlegenheitsziel der Alliierten. Lisbeth Bischof wurde nach in den Bomben getöteten Schülerin Lisbeth benannt. Ebenfalls anwesend war die Enkelin, die genau so heißt. Eine wichtige Frage konnte ebenfalls geklärt werden, nämlich dass 14 Tage vor dem Angriff nach Anweisungen die roten Kreuze des Lazaretts übermalt werden mussten. Warum, das ist bis heute ungeklärt.
(Text Bandi Koeck, GSI.News - Nachrichten für Vorarlberg, Fotos Helmut Köck, Sammlung Helmut Klapper ua. Landesbibliothek, Oktober 2023)