Exkursion ins Barockbaumeister Museum in Au
Reisebegleiter Christoph Volauncnik mit Museumsleiterin Bernadette Rüscher. Sie verstand es, mit viel Begeisterung und enormem Fachwissen uns in die Zeit des 17. und 18. Jahrhundert zurück zu versetzen.
Am 11. Juni 2022 erlebten 18 Mitglieder einen spannenden Ausflug in Vorarlbergs neuestes Museum in Au im Bregenzerwald.
Starker Bezug zu Feldkirch
Mit dem Bus ging es am frühen Nachmittag los in Richtung Dornbirn übers Bödele. Reisebegleiter Christoph Volauncnik verstand es, den Teilnehmern interessante Details zum Bregenzerwald nahezubringen. Bis ins beginnende 19. Jahrhundert gehörte der heutige „Hinterwald, der einen zusammengehörenden Gerichtssprengel bildete, zur Herrschaft Feldkirch. Er umfasste Egg, Schwarzenberg, Andelsbuch, Bezau, Bizau, Reuthe, Mellau, Au, Schnepfau sowie als Exklave Krumbach und Unterlangenegg. Der Rest, also etwa Lingenau und Hittisau, Doren oder Sulzberg, aber auch Damüls oder Warth, gehörten zu anderen „Gerichten“ und weisen mitunter auch eine deutlich andere Geschichte auf.
Hervorragend restauriert
Im ehemaligen Kuratenhaus welches 1780 erbaut wurde, erwartete uns bereits die Leiterin Bernadette Rüscher zur Museumsführung. Seit Herbst 2021 ist Vorarlberg mit dem Barockbaumeistermuseum um ein weiteres beachtliches Museum reicher, das im ehemaligen Kuratenhaus durch zahlreiche einheimische Handwerker vorbildlich renoviert wurde und im Erdgeschoss an die Tradition der Bregenzerwälder Barockbaumeister erinnert.
Geschichte der Auer Zunft
Bernadette Rüscher verstand es mit viel Begeisterung und enormem Fachwissen, uns in die Zeit des 17. und 18. Jahrhundert zurück zu versetzen. Barockbauten wie die Wallfahrtskirche in Birnau (D), die Abteikirche von Ebersmünster (F/Elsass), die Kirchen der Klöster St. Gallen (CH) und Einsiedeln (CH) und rund 800 weitere – planten und errichteten Baumeister und Handwerker aus Au und dem Bregenzerwald. Die Geschichte der außergewöhnlichen „Auer Zunft“ wird in diesem Museum zum Leben erweckt. Außerhalb der Heimat Arbeit zu finden, war für viele Vorarlberger in früheren Jahrhunderten eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Im 17. und 18. Jahrhundert nutzten viele den Aufschwung, den die Wiederaufbauzeit nach dem 30jährigen Krieg mit sich brachte. Vor allem die katholische Kirche investierte in großem Stil. So verließen rund 1.500 Bauarbeiter und Handwerker zu jener Zeit zwischen dem 19. März (Josefi) und dem 11. November (Martini) ihre Heimat im heutigen Vorarlberg, um auf Baustellen in Deutschland, der Schweiz und im Elsass zu arbeiten. Die meisten stammten aus dem Bregenzerwald, vorwiegend aus Au.
Zunftgünder Michael Beer
Hier ergriff Michael Beer im Jahr 1657 die Gunst der Zeit und gründete die „Auer Zunft“. Sie war eine Handwerkerzunft, ein Berufsverband und eine kirchliche Bruderschaft. Ihre Mitglieder waren bestens vernetzt und dank der qualitätsvollen Lehrlingsausbildung weitum gefragt. Über ein Jahrhundert lang, bis in die 1780er Jahre, dauerte die Blütezeit der „Auer Zunft“. Sie setzte kulturhistorische Maßstäbe und perfektionierte beispielsweise das „Vorarlberger Münsterschema“, die architektonische Grundlage zahlreicher Barockkirchen in Mitteleuropa. Zu ihren bekanntesten Mitgliedern zählten die Auer Familien Beer, Moosbrugger und Thumb.
Erfolgsrezept der „Auer Zunft“
Was war das Erfolgsrezept der „Auer Zunft“? Wie konnte sie so lange bestehen und welche Auswirkungen hatte die Bautätigkeit in der Ferne auf das Leben im Dorf? Antworten auf diese Fragen gibt das Barockbaumeister Museum in Au in vier Ausstellungsteilen. Sie befassen sich mit den Themen „Planen, bilden, bauen“, „Das Bauen organisieren“, „Mobil und vernetzt“ sowie „Gehen und bleiben“.
Planen, bilden, bauen
Dieser Ausstellungsteil erzählt von der Gründung der „Auer Zunft“, der Ende des 17. Jahrhunderts mehr als 90 Prozent der männlichen Bewohner von Au angehörten. Von Beginn an setzte ihr Gründer Michael Beer auf eine fundierte Ausbildung der Zunftmitglieder. Die Praxis lernten die Lehrlinge im Sommer auf den Baustellen. Im Winter befassten sie sich zuhause mit Materialkunde, Kostenberechnung und zeichnerischer Darstellung. In Summe bildete die „Auer Zunft“ 1.814 Lehrlinge aus. Ein Unikat sind die „Auer Lehrgänge“. So heißen zwei handgezeichnete Architektur- und Lehrbücher, ein Sammelwerk von Zeichnungen nach gedruckten und anderen Vorlagen.
Das Bauen organisieren
Ein hoher Organisationsgrad war schon in der Barockzeit ein Wettbewerbsvorteil. Oft setzten sich die Bregenzerwälder Baumeister damit gegen Konkurrenten durch. Sie brachten komplette Bautrupps aus ihrer Heimat mit, garantierten Qualitätsarbeit und übernahmen mitunter die Bauabwicklung. Das Handwerkswissen wurde zumeist innerhalb von Familien mündlich überliefert. So war der Fortbestand der „Auer Zunft“ über Generationen gesichert.
Mobil und vernetzt
Die Baumeister aus dem Bregenzerwald erkannten bereits damals das Potenzial regionaler Zusammenarbeit. Sie knüpften berufliche und familiäre Netzwerke und waren für die damalige Zeit erstaunlich mobil. Im Winter führten die Meister ihre Bauverhandlungen. Im Frühling zogen Bautrupps mit bis zu 200 Arbeitern zu Fuß an ihre Arbeitsorte. Nicht selten waren die Baustellen bis zu 300 Kilometer entfernt.
Gehen und bleiben
In vielen Haushalten waren die Männer von März bis November auf Baustellen. Das Leben zuhause organisierten die Frauen. Doch nicht in allen Haushalten wuchs der Wohlstand. Macht und Einfluss hatten weiterhin Großbauern, Säumer und die Kirche. Die Dorfstruktur änderte sich. Einige der Baumeister zogen für immer fort, andere blieben in Au und brachten einen bürgerlichen Lebensstil ins Dorf.
Kulinarischer Abschluss
Nach der über einstündigen Führung mit zahlreichen persönlichen Geschichten gab es zum Abschluss noch ein feines „Schnäpsle“, bevor die Rheticus-Teilnehmer in der nahe gelegenen Bergbrennerei & Gaststube Löwen sich noch mit Kaffee und Kuchen stärken konnten.
Wer diese tolle Exkursion diesmal versäumt hat, sollte einen Besuch im schönen Bregenzerwald unbedingt einplanen:
Barockbaumeister Museum Au
Rehmen 39, Rehmen, Österreich Tel. +43 (0) 5515 25561 oder 2288
info@barockbaumeister.at Website Museum
Öffnungszeiten
Montag: 15:00 bis 19:00 Uhr, Donnerstag: 13:00 - 17:00 Uhr, Freitag - Sonntag: 10:00 bis 17:00 Uhr
Führungen im Museum:
Montag: 18:00 Uhr, Freitag: 15:30 Uhr, Sonntag: 10:30 Uhr
Eintritt: Erwachsene € 9, Kinder bis 14 Jahre frei, 10% Ermäßigung mit der Gäste-Card Bregenzerwald und Großes Walsertal
(Bericht und Fotos Helmut Köck 14. Juni 2022)