48 Jahre Rheticus-Gesellschaft

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Rheticus - Revolutionär in reformatorischen Zeiten

Rheticus-Experte Dr. Philipp Schöbi mit den Musikern Franz Pfab und Urs Stieger.

Im Rahmen der Feiern zu "500 Jahre Reformation" lud die Evangelische Kirchengemeinde Eichberg-Oberriet zu einem Bildervortrag mit dem Experten Dr. Philipp Schöbi  über Georg Joachim Rheticus.

In seinem reich bebilderten Vortrag gab Philipp Schöbi den Anwesenden neue, ungewohnte und spannende Einblicke in die Zeit der Reformation an der Wende zur Neuzeit. Wie wir alle wissen, hat der aus Feldkirch stammende Georg Joachim Rheticus (1514 bis 1574) die Welt verändert. Er war der einzige Schüler des Astronomen Nikolaus Kopernikus, lehrte an Martin Luthers Seite in Wittenberg und setzte sich ein für die Verbreitung der bei den angestammten Medizinern verpönten neuen Lehren des Paracelsus. Die wesentlichen Umbrüche der Epoche spiegeln sich in kaum einem Leben so wie in seinem.

 

Feldkircher Reformatoren

Mehrere Feldkircher Humanisten haben an der Seite von Martin Luther und Philipp Melanchthon für die Reformation gekämpft. Der Bekannteste dürfte dabei wohl Bartholomäus Bernhardi (1487-1551) aus Schlins/Feldkirch sein. Er war nämlich der erste offiziell verheiratete Priester und damit der Begründer des evangelischen Pfarrhauses. Am Tag seiner Hochzeit, dem 24. August 1521, weilte Luther in Schutzhaft auf der Wartburg und konnte deshalb daran nicht teilnehmen. Aber er gratulierte seinem Feldkircher Studienkollegen und Mitstreiter, der ihn schon nach dem Anschlag seiner 95 Thesen in Wittenberg vehement verteidigt hatte, in einem Brief mit herzlichen Segenswünschen zur Vermählung und verlieh darin auch seiner Bewunderung für Bernhardis Mut Ausdruck.

 

Heliozentrische Weltbild 

Wäre Rheticus nicht gewesen, hätte Nikolaus Kopernikus (1473-1543) sein Hauptwerk über das neue, heliozentrische Weltbild nie vollendet und zur Druckreife gebracht. Dessen „Revolutiones” wären der Welt wohl verborgen geblieben. Im Jahr 1528 wurde Rheticus Vater enthauptet. Auf Vermittlung des Lindauer Gelehrten Achilles Pirmin Gasser (1505-1577), der sich später in Feldkirch als Stadtarzt niederlassen sollte, erhielt Rheticus einen Studienplatz an der Universität in Wittenberg, wo auch Martin Luther (1483-

1546)  lehrte, und genoss dort die Protektion von Gassers Freund, Philipp Melanchthon (1497-1560), einem Freud des späteren Reformators Luther. Der erst 25-jährige Rheticus trat im Jahre 1539 seine verwegene Reise zum alternden Domherrn Nikolaus Kopernikus „am Ende der Welt” im fernen Frauenburg in Ostpreußen an. Mit der sprudelnden Begeisterung eines jungen Forschers trug er sich diesem als erster und einziger Schüler an und lebte - mit Unterbrechungen - etwa zweieinhalb Jahre bei ihm. 1540 veröffentlichte Rheticus in Danzig die „Narratio Prima”, einen selber verfassten Vorbericht über die neue Lehre von den Kreisbewegungen der Himmelskörper,

 

Luthers Spott

 

Diese neuen, dem Augenschein widersprechenden Ideen stießen damals allerdings weitenteils auf Unverständnis, Ignoranz, Ablehnung oder gar Spott. Am eindrücklichsten wird dies vielleicht belegt durch zwei Zitate des an sich fortschrittlichen Martin Luther, der zusammen mit Rheticus in Wittenberg lehrte. Gegen Kopernikus zog Luther wie folgt vom Leder: „Der Narr will mir die ganze Kunst der Astronomia umkehren.  Aber die Heilige Schrift lehrt uns, dass Josua die Sonne stillstehen ließ und nicht die Erde.” Und direkt gegen seinen jungen, 29-jährigen Professorenkollegen Rheticus giftete Luther:  „Aber es gehet  itzunder so, wer do wil  klug sein, der solle ihme nichts lassen gefallen, das andere achten;  er  muss  ihme  etwas  eigen  machen,  sicut  ille  facit, qui  totam  astrologiam  invertere  vult.”  („...  wie jener tut, der die ganze Astrologie auf den Kopf stellen will.”).

 

Nachdem sich nebst Luther auch Rheticus’ bisheriger Förderer Philipp Melanchthon von ihm und seiner neuen Lehre abgewandt hatte, verließ er Wittenberg und folgte einem Ruf  an  die Universität Leipzig.

 

Ohne Rheticus kein Kopernikus

 

Rheticus starb am 4. Dezember 1574, vergessen und unbemerkt von der wissenschaftlichen Gemeinde.  Von seinem Antlitz fehlt uns zwar jede Vorstellung, nicht aber von seiner Bedeutung für die Wissenschaften, auf eine einfache Formel gebracht: Ohne Rheticus kein Kopernikus!

 

Musikalische Gestaltung

 

Der spannende Vortrag von Rheticus-Experte Philipp Schöbi wurde von Franz Pfab und Urs Stieger mit Musik aus dem 16. Jahrhundert stilvoll untermalt und beim anschließenden Apèro gab es noch viel zu diskutieren.

 

(Fotos und Text Helmut Köck, Dezember 2017) -  Quelle Philipp Schöbi in Feldkirch-aktuell/6-2009).

 

Info

Die Schriftenreihe Nr. 51 Rheticus - Wegbereiter der Neuzeit (1514-1574) ist beim Referenten Dr. Phillipp Schöbi erhältlich.