Geschichte des Walgaus - Historischer Spaziergang zur Ruine Jagdberg
Einige der Teilnehmer des historischen Spaziergangs im Zentrum von Schlins.
Abwechslungsreich gestalteter historischer Spaziergang mit Dieter Petras zur Ruine Jagdberg.
Die Rhetikus Gesellschaft in Feldkirch organisiert immer wieder beeindruckende Veranstaltungen und Exkursionen. So fand am vergangenen Samstag unter Leitung des renommierten Historikers Dieter Petras ein historischer Spaziergang zur Burg Jagdberg statt. Bei sehr feinem sonnigen Wetter traf sich um 13 Uhr eine recht heterogene Gruppe an Geschichtsinteressierten bei der St. Anna-Kapelle in Schlins. Dieter Petras stellte sich kurz vor: „Ich bin sozusagen der Ortschronist von Schlins und der Gemeindearchivar.“ Er sei kein Kunsthistoriker, sondern Historiker.
Colette Neyer, Schruns: Ich mache – wenn es sich zeitlich ausgeht – sehr gerne bei solchen Exkursionen mit. Heute war das Wetter ideal. Dieter Petras kannte ich bislang nicht. Ich bin jedoch beeindruckt, was für ein breites Wissensgebiet er abdeckt. Eine tolle Führung!
In der St. Anna-Kapelle begann der Spaziergang.
Zwei Kirchen in Schlins
Die Gemeinde Schlins besteht seit Beginn an aus zwei verschiedenen Ortsteilen, nämlich dem Siedlungsschwerpunkt rund um die heutige Pfarrkirche und dem uralten Straßendorf Frommengärsch, welches dem spätlateinischen Wort fromagerium, was Käsehandelsstation bedeutet, entstammen dürfte.
Das Epitaph in der St. Anna-Kapelle ist ein bedeutendes Kunstwerk.
Ortsteile
Dieser Ortsteil entstand am Schnittpunkt zweier Wege, die schon in vorchristlicher Zeit Bedeutung hatten, und zwar der südseitige Walgauweg und die Verbindung nach Beschling, die jahrhundertelang durch eine Furt über die verschiedenen Illarme ermöglicht wurde. Die intensive Bindung zu den Siedlungen Nenzing und Beschling wurde durch das kirchliche Organisationsschema verstärkt. Damals bildeten Schlins, Röns und Beschling einen eigenen kirchlichen Sprengel. „In dieser Zeit gab es in Schlins schon zwei Kirchen, über deren Standort jedoch keine Klarheit besteht“, so Dieter Petrasch.
Franz Siggel, Feldkirch: Ich finde den historischen Spaziergang sehr interessant. Auch wenn man schon relativ viel über die Hintergründe weiß, gewinnt man doch immer wieder andere Einblicke. Dieter Petras versteht es, auch unterschiedliche Erwartungen gut abzudecken.
Beim Geburtshaus von Bartholomäus Bernardi.
Jüngste Bauanalysen bei der St. Anna-Kapelle verweisen auf eine Errichtung des Kirchenschiffs in den Jahren 1410/1411 und des Dachstuhls rund hundert Jahre später. Wieso es zu dieser Verzögerung kam, ist unklar. Die St. Anna-Kapelle wurde in den letzten Jahren sehr aufwendig restauriert. Andreas Rudigier, Leiter der Tiroler Landesmuseen, hat die Kapelle als einer der schönsten Sakralbauten Vorarlbergs bezeichnet. „Das Kreuzgewölbe ist außergewöhnlich. Dass sich Schlins vor 600 Jahren ein solches Gotteshaus geleistet hat, weist auf einen gewissen Wohlstand hin“, führte Dieter Petras weiter aus.
Elfriede Siggel, Feldkirch: Mir gefällt die heutige Führung sehr gut. Wir machen immer wieder bei solchen Angeboten mit und waren auch schon im süddeutschen Raum unterwegs. Dieter Petras gestaltet den historischen Spaziergang wirklich sehr gut und informativ.
Bartholomäus Bernhardi
Der Spaziergang führte sodann zum Geburtshaus von Bartholomäus Bernhardi. Dieter Petras erläuterte: „Er ist der berühmteste Sohn von Schlins. Allerdings war er ein Abtrünniger. Als Sohn eines Landammans wurde er schließlich Rektor der Universität Wittenberg. Er war mit Martin Luther befreundet und hat in seinem Umfeld gewirkt.“ Bartholomäus Bernhardi hatte als katholischer Priester geheiratet, was zu dieser Zeit lebensgefährlich war.
Margarete Rothmund, Feldkirch: Dieter Petras ist ein sehr beeindruckender Mensch, davon zeugt schon seine Biografie. Die heutige Führung macht er sehr gut. Er ist kein Reiseführer, sondern er kommt von hier und hat sich intensiv mit der Geschichte der Region beschäftigt.
Buch zur Kirchengeschichte
Dieter Petras hat ein Buch zur Kirchengeschichte Vorarlbergs verfasst und wusste sehr viel zu erzählen: „Der Vorgängerbau der heutigen Pfarrkirche wurde zugleich mit der Erhebung von Schlins zur eigenständigen Pfarre um 1280 errichtet. Nach dem Abriss des Vorgängerbaus wurde 1699 der heutige Kirchenbau geweiht. Der Turm blieb jedoch erhalten, und vom ursprünglichen Bau zeugt heute noch das Vorzeichen am Kircheneingang. Das Innere des Gotteshauses wurde im späten 19. Jahrhundert und in den 1960er-Jahren restauriert und umgestaltet, wobei es mitunter auch zum Tausch der gotischen Altäre mit jenen der St.-Anna-Kapelle kam, je nach Zeitgeschmack und Gewichtung durch die Pfarrgemeinde.“ Die Burg Jagdberg wurde durch die Herren von Montfort-Feldkirch errichtet und 1297 fertiggestellt, sie wurde von den Erbauern selber jedoch nie bewohnt. Stattdessen diente sie während Jahrhunderten deren Gefolgsleuten als repräsentativer Wohnsitz, unter ihnen das Geschlecht derer von Altmannshausen. Sie verwalteten als Hubmeister die Feldkircher Stadtkasse, und einer von ihnen – Achilles von Altmannshausen – starb 1560 auf der Rückreise von einer Pilgerfahrt nach Jerusalem. An ihn erinnert ein prächtiges Epitaph in der St.-Anna-Kapelle.
(Text und Fotos Monika Bischof Mai 2024)